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"Ich dürfte etwa 20 Jahre alt gewesen sein, als ich La Rochefoucaulds Aphorismen in die Hände bekam. Ich sah, es waren 504. Ich dachte, ich werde auch solche schreiben, das Ganze wird nur eine Frage von ein paar Wochen sein. Seitdem sind 45 Jahre vergangen und es sind nicht 504 geworden. Einige davon sind aber hier zu lesen..."

Schon wieder hat man jemanden gefunden, der in seinem Auto aufgewacht ist, sich an nichts erinnern konnte und keine Ahnung hatte, wer er sei. So wache ich jeden morgen auf.

Ist Gott zwischen Kreuzigung und Auferstehung tot?

Stets mit einem Schwall an Fragen in unserem Herzen treten wir an den Meister heran. Dem unvollkommenen Meister stellen wir sie, im Angesicht des wahrhaftigen Meisters vergessen wir sie.

Horowitz starb am 5. November an einem Herzinfarkt. An jenem Tag hatte ihn ein Freund besucht und dazu angeregt, freier zu spielen.

Ich lebe nicht in einem Elfenbeinturm, sondern auf Marmorklippen. Ein brutaler Unterschied.

Das Schweigen ist der Dialekt des Todes.

„Du nimmst das Schreiben zu ernst”, mahnte mich unlängst jemand wohlwollend. Lächerlich. Nähme ich es ernst, würde ich nicht schreiben.

Jeder Mensch ist gläubig. Der eine glaubt an Gott, der andere daran, dass es keinen Gott gibt.

Des Kampfes höchste Stufe ist, wenn man nicht kämpft. Des Schreibens höchste Stufe ist, wann man nicht schreibt. Auf höchster Stufe Schweigen.

Sprache ist wie Roulette. Du weißt, dass du verlierst, trotzdem spielst du.

Sprache darf alles. Aber ob ich alles darf?

Das Wort trübt nur das Gebet.

Die indischen Pilger umrunden den heiligen Berg meist zu Pferd, da sie die Höhenluft und das Klima nicht gewohnt sind. Die Tibeter verstehen sie nicht, da auf diese Weise das Verdienst nur dem Pferd, nicht aber dem Reiter zukommt.

Es ist bemerkenswert, um wie viel besser Schriftsteller im Vorhof des klinischen Todes schreiben. Ich werde schweigen, um noch besser zu werden.

Seit der Niederschrift des ersten Wortes ist alles Plagiat. Deshalb ist dieses ganze Copyright-Getue uninteressant. Wenn ich Hamlet Wort für Wort, mit Herzblut und jeder Faser kopiere, so ist es mein Hamlet.

Die Dichter haben keinen einzigen Krieg verhindert, sagt Ingeborg Bachmann. Sie haben aber auch keinen einzigen ausgelöst.

Bubers Naivität: „Das Problem des Menschen.” In Wirklichkeit: Der Mensch als Problem.

In der Erotik der Langeweile, die der Poetik innewohnt, dominiert inzwischen die Langeweile. Zumindest was mich betrifft.

Was mag wohl jener träumen, der sich in den Tod träumt?

Ein Schriftsteller ist das, was über ihn geschrieben wird.

Nur weil du alle Schmetterlinge der Welt zusammenfängst, musst du noch lange nichts vom Leben der Schmetterlinge verstehen.

Seltsam, dass gerade Cioran sagt: „Man schreibt nicht, weil man etwas zu sagen hat, sondern weil man Lust hat, etwas zu sagen.” Ich hatte nie etwas zu sagen und noch weniger Lust, etwas zu sagen.

Anfang der 80er Jahre hatte ich das Gefühl, dass alles, was um mich herum geschah, Hochstaplerei und nicht Kunst sei. Ich dachte, dann werde ich eben Hochstapler, werde mich und damit auch die ganze Augenwischerei enttarnen. Während der Arbeit kam ich aber drauf, dass gerade diese Hochstaplerei Kunst ist.

Erinnerung ist, wenn eine Illusion versucht, eine andere Illusion zu rekonstruieren.

Der sich Erinnernde setzt sich verkehrt herum aufs Pferd.

Aus Auschwitz kann man keine Kunst machen. Und ist es doch Kunst, dann ist es nicht mehr Auschwitz.

Wir alle sind Karl Mays. Ohne Unterlass schwadronieren wir von Indianern, aber keiner von uns hat jemals einen Indianer gesehen. (Vielleicht gibt es gar keine.)

Das Fehlen der Gelegenheit ist noch keine Anständigkeit.

Die Menschen fragen gerne, was der Sinn des Lebens angesichts des Todes ist. Ich möchte endlich wissen: Was ist der Sinn des Lebens angesichts des Lebens?

Rameaus letzte Worte: Er beschwerte sich, dass der Pfarrer falsch sang. Das ist Künstlermoral.

Der Holocaust ist kein Zivilisationsbruch, sondern ein logical link der Zivilisation.

Der Mensch muss zunächst jeglicher menschlicher Eigenschaft beraubt werden, um ihn dann ohne jegliches Gewissen ermorden zu können.

Nach der Zeit der Anekdoten kommt die Zeit der Geschichten, und wenn das Lungenvolumen groß genug ist und die Zuckerglasur der Erinnerung schon richtig fließt, wird daraus Epik. Ich möchte das nicht mehr, ich wollte das eigentlich nie.

Das Verstehen ist keine unbedingte Kategorie der Kunst. Wenn dem so wäre, hätte sie keine existentiellen Themen mehr.

Politische Selbstzensur vergiftet, private entgiftet das Gewissen.

„Die Wirklichkeit, die ich kannte, existiert nicht mehr” (Proust). Die Wirklichkeit, an die ich mich erinnere, hat nie existiert.

Schwimmen und nicht ununterbrochen das Wasser erklären.

Der Gott suchende Mensch ist ein blinder Mensch. Hingegen sind seine Geschichten schön und bewegend. Sie erleichtern die Last der Zeit. Andererseits erschweren dieselben Geschichten die Zeit. Es ist einfacher, wenn es keine Geschichten gibt. Lediglich Geschehen.

Aus dem Ungarischen von Vera Ahamer

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